Kolumne (K)ein eigener Stil... von Antonia Valentina Herbort

Kolumne (K)ein eigener Stil... von Antonia Valentina Herbort

(K)ein eigener Stil…

„Du hast wirklich einen ganz eigenen Stil!“, – ist wohl das schönste Kompliment für alle Modebegeisterten. Kaum ein Begriff wird in Modemagazinen so viel diskutiert, in der Popkultur idealisiert und von der Industrie so clever ausgenutzt wie der Mythos um den ganz eigenen Geschmack. Das Wiederfinden des eigenen Seins im Textil ist das Gefühl, nach dem wir alle dürsten. Das Ziehen im Magen, wenn wir unsere neueste Fast-Fashion-Errungenschaft an jemand anderem entdecken. Die kleine Euphorie, wenn jemand ein ausgefallenes Teil sieht und sofort an uns denkt. Und die stille Genugtuung, ein Secondhand-Stück zu tragen, das garantiert niemand sonst besitzt. Eigener Stil ist ein emotionales Thema – logisch, schließlich geht es um die eigene Existenz. 

Individualismus hat in den letzten Jahrzehnten stetig an Bedeutung gewonnen. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde er zum Kern der Gegenkultur – sichtbar in Mode, Musik und politischen Bewegungen. In den 1980er- und 1990er-Jahren verschmolz das Streben nach Einzigartigkeit zunehmend mit wirtschaftlichem Erfolg: Die Self-Made Woman setzte auf Luxusmarken, um sich von der Masse abzuheben. Gleichzeitig feierten Subkulturen wie der Grunge genau das Gegenteil – Authentizität durch Anti-Ästhetik. 

Dann der Paukenschlag für die Einzigartigen: das Internet. In den sozialen Medien sind die Individualisten die Lieblinge der Algorithmen. Inspirierend, polarisierend, einfach anders! Solchen Menschen wollen wir in einer Masse von uniformierten Modemenschen folgen. Von jedem nehmen wir etwas mit: ein Herren-Schlips zum Abendkleid, ein sexy Nachthemd als Partyoutfit oder handgestrickte Schals in Signalfarben. Nichts wird so schnell zum Massentrend wie eine vermeintlich originelle Idee. So kann man sich die eigene Individualität wunderbar zusammen klauen, ohne dass es jemand bemerkt. Vielleicht entsteht so wiederum aber auch ein ganz eigener Stil, der ja dann laut Modemoral wieder einwandfrei wäre.

Wo hört Inspiration auf und fängt kopieren an? Kann es einen ganz eigenen Stil überhaupt geben? Müssten wir dafür nicht allein in einer Höhle leben völlig frei von Außeneindrücken? Ist Nachahmung nicht letztlich die höchste Form der Anerkennung?

 

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